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Daten über die Arktis und den Klimawandel verschwinden von US-Webseiten

Geschrieben von Dr. Michael Wenger am . Veröffentlicht in Menschen & Politik.

Das Arctic Institute (TAI) ist eine bekannte amerikanische Institution, die sich mit der komplexen Arktispolitik und –sicherheit befasst. Sie gilt auch als Informationsplattform für andere arktische Themen. Dazu hat sie ein internationales Netzwerk von Forschern und andere Arktis-Experten aufgebaut und nutzt deren Daten. Doch seit der Amtseinführung der neuen US-Verwaltung durch Präsident Trump hat dieses Netzwerk einen Vorschub an Datenschwund erfahren, vor allem zu den Themen US-Arktispolitik und Klimawandel. Alles weist auf die US-Behörden selber als die Schuldigen hin. Victoria Herrmann, die Präsidentin und Leiterin des Arctic Institute hat nun in einem offenen Artikel in der britischen Zeitung „The Guardian“ auf diese Tatsache hingewiesen.

Die Arktis und seine Bewohner stehen durch den Klimawandel und andere Faktoren unter Druck, gemäss zahlreicher Forschungsdaten. Doch nun scheinen diese Daten wie von Geisterhand von den Servern der US-Behörden und –Verwaltungen zu verschwinden. Bild: Michael Wenger
Die Arktis und seine Bewohner stehen durch den Klimawandel und andere Faktoren unter Druck, gemäss zahlreicher Forschungsdaten. Doch nun scheinen diese Daten wie von Geisterhand von den Servern der US-Behörden und –Verwaltungen zu verschwinden. Bild: Michael Wenger

As Arktisforscherin bin ich an Lücken in Datensätzen gewohnt. Nur gerade 1% der US-Arktisgewässer sind gemäss moderner Standards kartographiert. Tatsächlich aber sind einige heute noch genutzte Karten das letzte Mal während des Zweiten Weltkrieges erneuert worden. In unkartierten Gewässern zu navigieren kann schwierig sein, aber das ergibt sich mit der Tatsache, in einer abgelegenen Region er Erde zu arbeiten. Doch in den letzten zwei Monaten musste ich durch anderes unkartiertes Gebiet navigieren: Das Löschen der wenigen Daten, die wir haben, durch die Trump-Administration. Zuerst kam das Notsignal über den Datenverlust in Form von einem Vorschub von nicht-funktionierenden Links. Die nationale Arktis-Strategie, der Umsetzungsplan für die Arktis-Strategie und der Bericht über den Fortschritt waren innerhalb von Minuten am 21. Januar verschwunden (einen Tag nach Trumps Amtseinführung, Anm. d. Red.). Während ich sah, wie mehr und mehr der Internetlinks rot wurden, durchkämmte ich verzweifelt das Internet nach den archivierten Versionen der wichtigsten nationalen Arktisstrategien. Damals wusste ich noch nicht, dass dieses Verschwinden erst der Anfang ist. Seit Januar hat dieser schnelle Vorschub sich in einen langsamen, unaufhaltsamen Marsch zur Löschung von Datensätzen, Webseiten, und Strategien über die Arktis entwickelt. Mittlerweile kann ich pro Woche mindestens eine E-Mailanfrage zur Ersetzung von ungültigen Zitaten und Belegen erwarten und hoffe, dass irgendjemand in weiser Voraussicht die Statistiken über das Auftauen des Permafrostes oder erneuerbare Energien vor dem Löschen noch heruntergeladen hatte.

Victoria Herrmann ist eine Gates-Stipendiatin am Scott Polarforschungsinstitut in Cambridge, GB, wo sie zurzeit ihren Doktortitel in politischer Geographie der Arktis macht. Sie ist die Leiterin und Präsidentin des Arctic Institute. Bild: Historyabovewater.org
Victoria Herrmann ist eine Gates-Stipendiatin am Scott Polarforschungsinstitut in Cambridge, GB, wo sie zurzeit ihren Doktortitel in politischer Geographie der Arktis macht. Sie ist die Leiterin und Präsidentin des Arctic Institute. Bild: Historyabovewater.org

In den letzten Tagen von 2016 wurden wir bereits gewarnt: Rettet die Daten! Speichert die Klimamessdaten! Archiviert die Karten über Amerikas schlimmsten Umweltsündern. Dokumentiert die Lehrportale, die Studenten und Schülern über die Ökosysteme im eigenen Land aufklären. In Voraussicht auf eine Revision durch die neue Regierung, riefen Wissenschaftler überall auf der Welt dazu auf, so viele Dateien zu speichern von Regierungsseiten abzuspeichern und sie vor Änderungen und Löschung zu retten. Als sich die Amtseinführung näherte, folgten hunderte von Guerillaarchivaren dem Aufruf. Von Philadelphia bis Toronto kämpften Hacker gegen die Zeit, um essentielle Datensätze zu schützen, bevor diese verschwinden würden. Freiwillige versuchten ohne Unterbruch zu speichern, was möglich war. Doch die Bundesregierung ist ein riesiges Informationswarenhaus. Viele Daten waren verdammt dazu, verloren zu gehen. Alles in allem sind E-Mails über nicht verlinkte Seiten, die nicht gerettet werden konnten, lästig, aber harmlos. Archiviertes Material zu finden, um den Verlust zu ersetzen benötigen vielleicht rund 20 Minuten meines Tages -  und etwas Ärger über den Zustand des Landes. Die Konsequenzen von verschwundenen Zitaten aber, sind viel schlimmer als Webseiten-Updates. Jede nicht funktionierende Webseite ist eine Bemühung der Trump-Administration, absichtlich unsere Fähigkeit, gute Strategieentscheidungen zu treffen, zu unterminieren, wenn wir keine wissenschaftlichen Beweise erhalten können.

Das Arctic Institute (TAI) ist ein unabhängiges internationales Institut zur Förderung von Forschung und Beschäftigung für die verschiedenen Bereiche arktischer Sicherheit. Es liefert Daten, Analysen und Vorschläge über zirkumpolare Sicherheitsherausforderungen für Entscheidungsträger, Forscher, Medien und die interessierte Öffentlichkeit. Bild: The Arctic Institute
Das Arctic Institute (TAI) ist ein unabhängiges internationales Institut zur Förderung von Forschung und Beschäftigung für die verschiedenen Bereiche arktischer Sicherheit. Es liefert Daten, Analysen und Vorschläge über zirkumpolare Sicherheitsherausforderungen für Entscheidungsträger, Forscher, Medien und die interessierte Öffentlichkeit. Bild: The Arctic Institute

Diese Art von Datenverlust ist nichts Neues. Vor drei Jahren konnten Arktisforscher einen anderen Politiker dabei beobachten, wie er tausende von wissenschaftlichen Dokumente vor der Öffentlichkeit versteckten liess. Der ehemalige kanadische Premier Stephen Harper schloss 11 Abteilungen der regionalen Fischerei- und Ozeanbibliotheken, darunter auch das einzige Arktiszentrum. Hunderte von Berichten und Studien, die über einhundert Jahre Forschung enthielten, wurden im Verlauf der Schliessung zerstört. Ein historischer Verlust, von dem wir uns immer noch nicht ganz erholt haben. Diese Datenlöschungen kommen zu einem Zeitpunkt, an dem sich die Arktis zweimal schneller erwärmt als im globalen Vergleich. Gerade vor kurzem kam die Nachricht vom niedrigsten Meereismaximum seit dem Start der Aufzeichnungen. Die Einflüsse der warmen, eisfreien Arktis sind bereits klar: Rückgang des Lebensraumes von Eisbären und anderen arktischen Tieren; Zunahme der Küstenerosion, die Alaskaner zum Verlassen ihrer Heimat zwingen wird; Öffnung von Schifffahrtsrouten mit unvorhersehbaren Bedingungen und gefährlichem Eis. In einer abgelegenen Region, in der Daten rar sind, brauchen wir mehr denn je öffentlich zugängliche Regierungsrichtlinien und Berichte. Es ist für Arktisforscher schon schwer genug, Experimente durchzuführen und Daten zu sammeln, um die Lücken zu füllen, die von historischen wissenschaftlichen Expeditionen offen gelassen worden waren. Während wir in einer der herausforderndsten Umgebungen der Welt arbeiten, haben wir keine Zeit, durch politische Bösartigkeit neu entstandene Datenlücke zu füllen. Also Herr Präsident Trump: Hören Sie auf, meine Zitate zu löschen!

Victoria Herrmann’s Bitte: Bitte Herr Präsident Trump, lassen Sie meine Zitate in Ruhe! Bild: Michael Wenger
Victoria Herrmann’s Bitte: Bitte Herr Präsident Trump, lassen Sie meine Zitate in Ruhe! Bild: Michael Wenger

Quelle: Victoria Herrmann, The Guardian